Die Begehbare Dolde

Museums-Sachen – seit 20 Jahren (3)

Donnerstag 18.09.2025

Die Begehbare Dolde

Museums-Sachen – seit 20 Jahren (3)

Von Christoph Pinzl

Es war einer der allerersten Ideen, die für unser zukünftiges Museum im Raum standen. Eine riesengroße Hopfendolde, in die Besucher hineingehen können, das wäre großartig. Als Einstieg in die Dauerausstellung, den Museums-Rundgang. Ganz am Anfang der Geschichte, der Zeitreise, wo es den Hopfen einfach nur gibt und sich – historisch gesehen – noch niemand für ihn interessierte. Weil ihn die Menschen noch gar nicht entdeckt hatten, weil es noch gar keine Menschen gab, die ihn entdecken konnten. Nur die Natur und mittendrin der Hopfen. Ein Modell in Überlebensgröße, das gleich zu Beginn ordentlich Eindruck schindet, auf alle Fälle etwas für alle Sinne. Augen, Ohren, Hände, Nase, alles sollte gereizt werden. Nicht ganz unähnlich einem US-amerikanischen Science Center, wo die Verbindung von Spektakel und Wissensvermittlung seit jeher kein Verbot ist.

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Die Begehbare Dolde von innen.

Die Begehbare Dolde von innen.

Die Riesendolde sollte somit auch symbolisch wirken. Denn Hopfen ist bekanntlich etwas, das alle Sinne anspricht. Ein guter Hopfenbonitierer kann nicht nur riechen, ob der Hopfen etwas taugt, er sieht es auch an der richtigen Farbgebung, er kann am richtigen Rascheln den passenden Feuchtigkeitsgrad erkennen, kann fühlen, ob die Qualität passt. So in etwa sollten auch unsere Besucher gleich richtig eingestimmt werden. Mit Duftstationen, Soundcollagen, spektakulärer Lichtinszenierung, so in der Art. Innen eine Art Höhlenatmosphäre, wo hinter den großen Doldenblättern die goldenen Lupulinkugeln hervorblitzen, Stichwort (Hopfen-)Goldrausch.

Darüber hinaus sollte die schiere Größe der Dolde versinnbildlichen, was der Hopfen für die Regionen und ihre Bewohner, die sich ihm widmeten, bedeutete: unübersehbar viel. Noch einen Schritt weiter sollte die Dolde auch das eigenartige Verhältnis von Groß und Klein beim Hopfen thematisieren, symbolisieren: die Riesenpflanze, die so schnell wächst wie kaum eine andere und von der man doch nichts anderes braucht, als ein bisschen gelbes Lupulinpulver; die große, vielgestaltige Bierwelt, die sich von einer einzigen, relativ überschaubaren Hopfenregion versorgen lässt; die große Maß Bier, die ohne das Gramm Hopfen in ihr drin nur ein fades Zuckerwasser wäre. Zugegeben, Gedanken, die sich beim ersten Betrachten der Dolde nicht sofort erschließen, aber von der Grundidee drinstecken.

Ganz banal gesprochen wollten wir mit der Begehbaren Dolde einfach auch einen Eyecatcher platzieren, schließlich braucht es ja etwas, was man und frau gerne auf´s Erinnerungsfoto packt. Das ist uns auf alle Fälle gelungen. Keine Verbandssammlung, die im Haus zu Gast ist, kein Politikerbesuch samt Anhang, kaum eine Gruppenführung im Museum, die sich anschließend nicht für´s Gruppenfoto vor der Großdolde aufstellt.

So weit, so ideenreich. Nun brauchte es nur noch jemanden, der uns das Ganze konkret ins Museum stellte. Erste Anfragen bei etablierten Bühnenbildnern fielen etwas ernüchternd aus. Ließ sich grundsätzlich umsetzen, so die Rückmeldung der Kreativfirmen, preislich aber halt ungefähr in einem Finanzbereich, den wir für die gesamte Museumsinneneinrichtung veranschlagt hatten. So konnte es erstmal nicht klappen.

Das Hauptproblem bestand darin, dass wir etwas haben wollten, das sowohl von außen wie von innen funktionieren mussgte. Eine geschlossene Großplastik bauen, die aussah, wie eine Hopfendolde, das ließ sich machen, egal aus welchem Material. Einen Raum einrichten, der, wenn man in ihn eintrat, anmutete wie eine Dolde von innen, auch das konnte man umsetzen. Aber beides gleichzeitig, zudem mit allen nicht ganz banalen Auflagen des Brandschutzes, der Barrierefreiheit, der Sicherheit für Besucher und Exponat, der technischen Ausstattung, da wurde es schwierig. Wer ein Bühnenbild betrat, wusste, wo er sich nicht hinlehnen durfte und es störte ihn nicht, wenn hinter der prächtigen Fassade die Holzlatten sichtbar waren, aber für Museumsbesucher brauchte es die komplette Illusion. Und obendrein: eine Dolde von innen, was sollte das sein? Hopfendolden sind ja nicht hohl, wie sollte man/frau sich also in so etwas bewegen können? Außerdem läuft eine Hopfendolde an einem Ende spitz zu und am anderen sitzt der Stiel, schwebt das begehbare Exemplar dann quasi über dem Boden? Und überhaupt, wo lag die Grenze von Natürlichkeit und Abstraktion?

Dass die Begehbare Dolde zur Museumseröffnung 2005 tatsächlich bestaunt werden konnte, war sicher einer der wenigen positiven Nebeneffekte der extrem langen Planungszeit des Museums, die ja bekanntlich 21 Jahre in Anspruch nahm. Über Jahre hin gab es immer wieder neue Anläufe, die Dolde zu realisieren, gab es veränderte Planungen, bemühten sich verschiedene Künstler, Firmen, kreative Menschen um eine Lösung. Der Mann, der es dann letztendlich auf den Punkt brachte, hieß Politor, Günther Politor. Seine Firma namens Werk 7 brachte nicht nur viel Erfahrung beim Bau von Kulissen aller Art mit, sei es bei Theater, Film oder Museen. Er bot das Ganze auch zu einem Preis an, der mit unserem schmalen Budget zu stemmen war. Wir sind ihm und Werk 7 heute noch dankbar dafür.

Grob gesprochen entwarf Politor für die Begehbare Dolde zuerst ein Metallgerüst, einem eiförmigen Iglu oder einer Jurte nicht ganz unähnlich. Darüber schichtete er dann die Doldenblätter, jeweils für die Außenseite und das Innere eine eigene Schicht. Im Inneren jedes Blatt nur mehr angeschnitten, um eben besagten Hohlraum herstellen zu können. Von oben herab prangte die Spindel der Dolde, an der spiralförmig die goldenen Lupulinkörner ansetzen. Jedes Blatt wohlgemerkt einzeln in Handarbeit hergestellt, aus einem Material, das einer Isomatte nicht unähnlich war. Den Anforderungen des Brandschutzes selbstverständlich konform. Mehr als nur eine Kulisse. Ein Kunstwerk, zweifellos.

Die Sinnesstationen im Inneren, Hörstation, Geruchsstation und Leuchttafeln, entwickelten dann anschließend unsere Museumsgestalter zusammen mit der Museumsleitung. Auch wenn das eine oder andere technische Element mittlerweile ein Update erfahren hat, sieht unsere Begehbare Dolde auch nach 20 Jahren noch immer erstaunlich gut aus. Gewisse Befürchtungen, dass die Doldenblätter den vielen neugierigen Besucherhänden auf Dauer klein beigeben werden, haben sich nicht bestätigt. Wie im richtigen Leben: der Hopfen hält sich, allen widrigen Außeneinflüssen zum Trotz.

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