„Und dann hat der vom Gold erzählt“
Als Brewers Gold und Northern Brewer die Hopfenwelt umkrempelten (Teil 2)
Von Christoph Pinzl
Der „Gold“ war zwar nicht besonders krankheits- oder schädlingsstabil. Aber er konnte andere unschlagbare Vorzüge aufweisen. Zum einen lagen seine Bitterstoffwerte weit über denen der alten Landsorten. Ein Segen für die immer stärker werdende Lagerbierindustrie mit ihren schlanken, pilsnerartigen Einheitsbieren, wo nur mehr der Alpha-Bitterwert im Hopfen eine Rolle spielte. Das Heil für die Pflanzer bestand im Ertrag: aus einer Rebe Brewers Gold holte man locker die doppelte Menge an Dolden heraus wie aus Hallertauer Mittelfrüh. Wenn betagte Hopfenpflanzer später davon erzählten, fingen die Augen immer noch zu leuchten an:
„Eine extrige Sorte, Gold hat der geheißen. Und der hat Hopfen gegeben, ja mei. Da ist der Hopfen nur so gelaufen in der Pflückmaschine. Das ist ein schöner Hopfen gewesen.“ (Herr G. aus Niederlauterbach).
„Da ist dann der Brewers Gold gekommen, das ist schon ein Massenhopfen gewesen. Beim Hallertauer hast vielleicht zehn Zentner gebaut und von dem hast zwanzig, dreißig Zentner gebaut, mindestens. Das war eine Masse!“ (Herr M. aus Eschelbach).
„Da ist einmal von Belgien, von Poperinge, ein Bauer in Wolnzach gewesen. Und dann ist er beim Haimerl in der Wirtschaft gesessen. Und dann war da auch der A. und dann haben sich die unterhalten. Und dann hat der vom Gold erzählt. Und gesagt, dass eine Rebe eine Kirm (Korb) voll gibt. Eine Kirm voll!“ (Herr S. aus Wolnzach).
Schon optisch ein großer Unterschied: Links Hallertauer Mittelfrüh, rechts Brewers Gold, um 1970.
In Gesprächen mit alten Hopfenpflanzern steigerten sich die Superlative bisweilen in astronomisch-märchenhafte Höhen: an 45 Zentner Hopfen pro Hektar erinnerte sich einer (schon im ersten Anbaujahr!), der nächste erzählte von 70 Zentnern, bis schließlich von nicht weniger als 100 Zentnern Gold-Hopfen die Rede war – normal wären damals 20 Zentner gewesen. So mächtig wuchs der Brewers Gold, dass sogar die Aufleitdrähte in den Hopfengärten dicker werden mussten, damit die Reben nicht vorzeitig abrissen:
„Mei, anfangs haben´s immer so gespart, nur den dünnen Draht. Einer hat einen Gold gehabt, der ist ihm dann eingefallen, dann haben wir ihn wieder aufgestellt, dann ist er ihm wieder eingefallen. Die haben ja anfangs nur einen 12er Draht gehabt. Der Gold hat ja so dicke Reben gehabt. Des war ein Hopfen.“ (Herr R. aus Wolnzach).
Brewers Gold versetze nicht nur die Gemüter in Aufruhr. Er brachte auch den Hopfenmarkt komplett durcheinander. Das Hopfenherkunftsgesetz von 1929 hatte einst festgelegt, dass Hopfen in Deutschland nach seiner Herkunft zu bezeichnen war. Hopfensorten spielten dabei keine Rolle. Hopfen, der in der Hallertau wuchs, war Hallertauer Hopfen – und fertig. Als die Hopfenbauern nun in den 1960ern anfingen, die neue Sorte anzubauen, musste sie dies nirgends offiziell vermerken, anmelden, klassifizieren. Das ging so weit, dass die neuen „Gold-Fechser“ sogar mitten in einem bestehenden Hopfengarten Platz finden konnten, zwischen den alten Hallertauer Mittelfrüh-Pflanzen. War ja alles Hopfen aus der Hallertau, wo lag das Problem? Mit dem Ergebnis, dass sich die Ernteschätzer bisweilen um bis zu 20% bei der voraussichtlichen Erntemenge verhauten und kein Mensch mehr voraussagen konnte, wie viel Hopfen im Herbst auf den Markt kommen würde. Und die Bierbrauer keine Chance mehr hatten, ihre Qualitätsvorstellungen von Bitterwerten und Aromakomponenten im Hopfen umzusetzen.
Northern Brewer
Bei Hopfenprodukten wie Pellets oder Extrakt bestand nicht einmal mehr die Chance, die Sorten wenigstens von der Optik her auseinanderzuhalten. Deswegen bereitete 1968 eine entsprechende Änderung im Biersteuergesetz solchem Wildwuchs rasch ein Ende. Zudem erarbeiteten die Hüller Hopfenforscher komplexe Methoden, beispielsweise mittels der sogenannten Gaschromatographie, um die einzelnen Hopfensorten exakt unterscheiden zu können.
Einen weiteren Vorzug von Brewers Gold entdeckten die Hallertauer Pflanzer erst allmählich: seinen sehr viel späteren Erntezeitpunkt als beim alten Hallertauer Hopfen. Seit Ende der 1950er Jahren standen die sündteuren Pflückmaschinen auf dem Hof – für gerade einmal zwei Wochen Ernteeinsatz im Jahr. Ließ sich dieser Zeitraum verlängern, zum Beispiel durch eine zusätzliche Hopfensorte mit später Ernte, lohnte sich die hohe Investition deutlich mehr. Der Gold war einfach Gold wert.
Schon Anfang der 1970er Jahre stammte gut die Hälfte des Hallertauer Hopfens von den beiden Salmon-Sorten. In Poperinge waren es zu der Zeit schon ganze 85%. Aber die Hopfenzüchter blieben nicht untätig. Mit dem Lauf der Jahre folgten neue Sorten, noch ertragreicher, mit noch viel mehr Bitterstoffen, Sorten wie Magnum oder Herkules. Spätestens als Mitte der 1980er Jahre DDR-Hopfenpflanzer den Markt mit Northern Brewer zu Dumpingpreisen überschwemmten, drehte sich die Stimmung. Brewers Gold und Northern Brewer gerieten allmählich ins Abseits, bisweilen sogar in Verruf. Heute findet man sie kaum mehr in deutschen Hopfengärten.
Pflanzenschutz für Northern Brewer im DDR-Hopfenbau. Gleina, 1971
Ernest Stanley Salmon übrigens erlebte den Siegeszug seiner Sortenkinder nicht mehr. Er starb 1959, gerade als die Hallertauer Pflanzer anfingen, die neuen Sorten in ihre Hopfengärten einzupflanzen. In seinem Heimatland auf der britischen Insel hatte man ohnehin nie viel übrig gehabt für die Neulinge aus dem Labor.