Barbara Wimmer

Dokumentarische Geschichten zwischen Globalisierung und Lokalität

Ein kleines Dorf an der Südwestküste Portugals mit rund 5.500 Einwohnern wird durch die zunehmende Agrarindustrialisierung mitten im angrenzenden Naturschutzgebiet „Parque Natural da Costa Alentejana e Vicentina“ auf einen Schlag in die Globalisierung katapultiert. Tausende Landarbeiter rund zwanzig verschiedener Nationen aus der ganzen Welt suchen ihr persönliches Glück hier am westlichen Rande Europas. Sie arbeiten zum Teil unter dem Mindestlohn in den stetig wachsenden Gewächshäusern. Dort werden rote Früchte und Gemüse angebaut – mediterrane Kost für den mitteleuropäischen Markt. Von den 131.000 Hektar Naturschutzgebiet sind bereits 1.200 Hektar dem Anbau in Plastikgewächshäusern preisgegeben; dieser dürfte zum jetzigen Zeitpunkt bereits um das Doppelte angewachsen sein. Der Bürgermeister von São Teotónio äußerte sich sehr besorgt zur Entwicklung: Der neue parlamentarische Ordnungsplan von 2011 erlaubt es Investoren, die Produktion unter dem Tarnmantel der regionalen Entwicklung voranzutreiben.

Die Bewohner betrachten die Entwicklung in São Teotónio kontrovers. Während die einen ganz klar die Vorteile der vielen „Fremden“ in ihrem Dorf sehen, wobei sie auf die entstehende Lücke durch Abwanderung und demografischen Wandel hinweisen, beschweren sich andere über die Anwesenheit von so vielen Indern, Pakistani, Bulgaren, Thailändern oder Nepalesen auf den Straßen, beim Einkaufen, im Café und auf dem zentralen Dorfplatz. Vor diesem Hintergrund dokumentiert die Fotografin und Ethnologin Barbara Wimmer die komplexe Entwicklung des Dorfes über mehrere Jahre hinweg. Ausgerüstet mit einer analogen Mittelformatkamera machte sie sich auf den Weg, die noch bestehende Alltagskultur abzulichten, und porträtierte alte, verstaubte Läden genauso wie die neuen Ladenbesitzer aus Indien, Nepal oder Bulgarien. Dabei sprach sie mit vielen Anwohnern, Politikern, stellte unangenehme Fragen und diskutierte mit Menschen auf der Straße, die in einem globalen Dorf leben und irgendwie damit zurechtkommen müssen. Oft schütteln sie den Kopf und können die Welt nicht mehr verstehen: Ihr kostbares Naturschutzgebiet wurde verraten. Welche Geschichte sich in diesem Dorf ereignet, können Sie in der Ausstellung im Hopfenmuseum sehen und feststellen: Jedes globale Dorf wird von Menschen bewohnt und jeder besitzt eigene Strategien, damit umzugehen. Welche das sind, zeigt Barbara Wimmer mit ihren dokumentarischen Geschichten.

Barbara Wimmer-Bulin

hat Ethnologie und Soziologie an der Universität Tübingen studiert und arbeitet seitdem als freischaffende fotografische Künstlerin. Auch ihr Leben konstruiert sich über mehrere Nationen: In Afrika – Lome/Togo – geboren, die Kindheit in Bayern verbracht, Jugendzeit in Portugal, São Teotónio, genossen, zur Studienzeit lange in Tübingen gewesen und im Erwachsenenalter in Prag gelebt. Auch sie ist auf der unendlichen Suche nach der Heimat, so es die Heimat überhaupt gibt. Mit der Rückkehr nach Bayern erlebt sie eine neue Perspektive in Bezug auf Orte und Sprache.