Draht aufhängen
Bitterstoff, Blog | Montag 27.02.2023

Der Haken an der Sache

Alte Hopfenbauern erinnern sich noch ans Drahtaufhängen mit Haken

von Christoph Pinzl

Viele Hopfenbauern schwören heutzutage darauf, den Aufleitdraht, an dem der Hopfen nach oben wächst, bereits im Herbst aufzuhängen. Mag sein, dass sich mit den Winterstürmen ein paar der Drähte wieder am Boden ablösen. Aber das bisschen Nacharbeiten im Frühjahr wiegt der Vorteil, dass man die ganze Arbeit schon hinter sich hat, leicht auf. „Arbeitsspitze brechen“ nennen das die Agrarfachleute.

Früher wäre so etwas nicht möglich gewesen. Denn der Draht war noch nicht fest am oberen Laufdraht angeknüpft. An jedem einzelnen Aufleitdraht war oben ein Drahthaken montiert und diesen Drahthaken musste man am Gerüst einhängen. Diese Technik verbreitete sich ungefähr ab der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, beim einen Bauern früher, beim anderen mit etwas Verzögerung. Draht löste damals die bis dahin übliche Schnur ab, den „Spagat“ wie man sie in der Hallertau nannte. Ein wesentliches Argument für den Umstieg auf die neue Technik dürfte gewesen sein, dass sich der Draht im Unterschied zur Schnur mehrfach nutzen ließ. Dazu musste er allerdings Wachstum und Ernte der Hopfenrebe unbeschädigt überstehen und das ging nur, wenn sich Haken, Draht und Hopfenrebe am Schluss bei der Ernte relativ einfach wieder vom Gerüst abnehmen ließen. Das war quasi der Haken an der Sache. Genau derselbe war dann ein wesentlicher Baustein für das Drahtrecycling.

Weil es vor den 1950er Jahren nur auf den wenigsten Höfen Traktoren gab, somit auch noch keine Kanzeln mit denen man sich nach oben befördern lassen konnte, hatte das Drahtaufhängen zwangsläufig vom Boden aus zu erfolgen. Dazu brauchte es eine lange Stange, ob aus Bambus, Metall oder irgendeiner Holzsorte, entschied jeder Hopfenbauer nach individuellem Geschmack. Am oberen Ende der Stange steckte eine Vorrichtung, an der sich der Haken samt Draht zwar so stabil einhängen ließ, dass er beim Hochwuchten nicht sofort wieder herunterfiel, aber auch nur so lose verbunden, dass der Draht sich oben am Laufdraht relativ leicht einhängen ließ.

War bis dahin beim Montieren der Spagatschnur Wurfgenauigkeit gefragt, so brauchte es ab jetzt ein gutes Auge, damit der Haken sein Ziel oben nicht verfehlte. Wer allerdings einige tausend Stöcke Hopfen sein eigen nannte, schaffte es irgendwann auch ohne Hinsehen, so jedenfalls schilderten es alte Hopfenbauern in der Rückschau. Nach stundenlangem Starren ins Sonnenlicht und dem richtigen Grad an Genickschmerzen in jedem Fall ein Vorteil. Wer es sich leisten konnte, vergab die Arbeit an Drahtaufhänge-Spezialisten, die sich nach Menge bezahlen ließen.

Draht aufhängen im Hopfengarten

Mit dem Aufkommen der Hopfenpflückmaschinen ab Mitte der 1950er Jahre war dann bald Schluss mit dieser Methode. Für die empfindlichen Pflückfinger und Pflücktrommeln in den Pflückmaschinen waren die Haken Gift. Und auch wenn sie anfangs noch mühselig vor der Ernte abgezwickt wurden, damit man sie später wieder am Draht anknüpfen konnte, so stellten sich die meisten Bauern doch schnell um: auf leichteren Draht, den man oben mit einer Schlaufe festknüpfte, bei der Ernte abriss und anschließend wegwarf. So wie es heute noch üblich ist.

In unserem Museums-Hopfengarten haben wir die alte Technik aufleben lassen.