Compact-Klasse
Eine alte Allaeys-Pflückmaschine wurde vom Museumsverein instandgesetzt
von Christoph Pinzl
In Museumskreisen gibt es den Begriff des „ikonischen Exponates“. Der Raumanzug, mit dem Neil Armstrong seinen wichtigen Schritt für die Menschheit ausführte, Alan Turings Enigma-Entschlüsselungsmaschine, Lenins Eisenbahnwaggon, mit dem er zur Russischen Revolution fuhr. In der Art. Welthistorisch knapp darunter läge die erste Pflückmaschine, die im deutschen Hopfenbau ihren Dienst verrichtete, die Bruff D, Baujahr 1955. Würde sie unserem Museum angeboten, hätten auch wir, Wolnzach, ein Problem. Wohin damit? Die Bruff war ein Monster von 25 Metern Länge und 8 Metern Höhe. Gutsbesitzer Otto Höfter musste im kleinen Hallertauer Weiler Neuhausen eigens eine neue Halle errichten, um sie unterzubringen.
Zum Glück muss man fast sagen, gibt es die Maschine nicht mehr. Aber Pflückmaschinen stellen trotzdem für ein Hopfenmuseum ein gewisses Problem dar. Sie markieren einen wesentlichen Umbruch in der Geschichte des Hopfenbaus und sind deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil des Sammlungskonzeptes. Aber anders als Pflückkörbe oder Metzenzeichen beanspruchen sie viel Platz, sehr viel Platz. Und nicht nur das. Als das Deutsche Hopfenmuseum einst aufgebaut wurde, musste die in unserer Dauerausstellung gezeigte Wolf-Pflückmaschine sehr früh sehr exakt platziert werden, damit die nötigen Fundamente für ihr hohes Gewicht rechtzeitig angefertigt werden konnten. Und die Maschine musste auch schon lange vor Bauende ins Gebäude gestellt werden. Keine Tür im Museum wäre groß genug gewesen, um sie hindurch zu befördern. Also musste sie durchs (noch unverglaste) Panoramafenster.
Pflückmaschinen sind in gewissem Maße auch der Grund dafür, dass das Deutsche Hopfenmuseum in Kürze ein neues Schaudepot eröffnen darf. Seit Jahren war das alte Depot „Rennerstadel“ zu klein geworden. Vor allem für Pflückmaschinen war längst kein Platz mehr. Schon 2013 musste eine frisch erworbene Themilco Hopmatic, ein seltenes Stück aus den 1960ern, auf das wir eher zufällig gestoßen waren, draußen vor der Tür unters Vordach gestellt werden. Notdürftig mit Plane verkleidet hat sie seither Wind und Wetter getrotzt.
Nicht besser erging es der Maschine, nach der wir, anders als nach der Themilco, seit Jahren intensiv Ausschau gehalten hatten. Die Firma Allaeys, genau wie Milleville-Themilco einst im flandrischen Poperinge beheimatet, lieferte seit Mitte der 1950er Jahre höchst erfolgreich ihre Pflückmaschinen an den deutschen Hopfenbau. (mehr zu Allaeys…) Technische Marksteine wie schräger Rebendurchzug oder der lange Rebenauszugsarm gehen auf die Brüder Allaeys zurück. Ihre wohl wichtigste Erfindung war die Kompakt-Pflückmaschine. Solche Maschinen waren, anders als die Bruffs, Rotobanks und auch die ersten Allaeys-Typen, keine hallenumspannenden Ungetüme mehr, die auch den reichsten Hopfenbauern zum armen Schlucker degradierten. Statt 60.000 standen nur mehr knapp 20.000 Mark zu Buche, statt 8 x 25 Metern Höhe x Länge nur mehr 3,50 x 3,50 Meter, statt 50 Mann Personal nur mehr 3.
Nachdem Allaeys 1959 die „Junior“ eingeführt hatte, legte man kurz darauf mit einem Modell mit dem sprechenden Namen „Compact“ nach. Anders als bisher war jetzt bereits der schräge Einzug samt langem Einzugsarm verbaut. Als die Nr. 1 der Baureihe 1961 zur Probevorführung in der Hallertau lief, wechselten sofort die ersten sieben Stück den Besitzer. In den folgenden Jahren entwickelte sich die „Compact“ mit 464 verkauften Maschinen zum erfolgreichsten Allaeys-Typ in ganz Deutschland. Obwohl sie aus dem Ausland stammte und anders als die englischen Maschinen, nie in Deutschland in Lizenz nachgebaut wurde.
Unsere „Compact“ entdeckte um 2017 Pflückmaschinenfachmann Peter Mayer-Diener am Ortsrand von Au i.d. Hallertau. Seit bald 20 Jahren stand sie dort verlassen herum, im typischen Pflückmaschinen-Stadel, den die Vorbesitzer dort einst in die grüne Wiese gestellt hatten. Hopfenbauer und Wagnermeister Johann Schreck und seine Frau Maria hatten sie 1962 zusammen mit dem Auer Hopfenpflanzer Anton Buchberger gekauft, beim Landmaschinenhändler Schleibinger in Osterwaal, nachdem man die Anbaufläche 1960 auf 6000 Hopfenstöcke erweitert hatte, also auf ungefähr 1,5 Hektar. Die gemeinsame Halle für die Maschine stand jeweils exakt zur Hälfte auf den Grundstücken der Familien Schreck und Buchberger. 1974 heiratete Tochter Christl den Landmaschinenmechaniker Erich Heinzmann und führte den Hof in unveränderter Größenordnung weiter. Bis 1990 dann die Allaeys Compact ihre letzten Reben pflückte. Die Hopfenstöcke wurden gerodet, der Ackergrund verpachtet. Und um die „Compact“ wurde es still. Bis zur Wiederentdeckung.
Nachdem man sich mit den Vorbesitzern einig geworden war, brachten Mitglieder des Hopfenmuseums-Vereins mit Unterstützung des viel zu früh verstorbenen Maschinenfachmanns Walter Reith die Maschine nach Wolnzach. Eine Besonderheit war neben ihrer hervorragenden Zustand ihr fast unveränderter Originalbauweise. Leider musste auch dieses Schmuckstück jahrelang im Freien herumstehen und bot in dieser Zeit zahlreichen Singvögeln und Tauben Unterschlupf. Mit der Fertigstellung unseres neuen Schaudepots haben fleißige Vereinsmitglieder nun viel Freizeit geopfert, die Maschine gesäubert und schließlich wieder in Betrieb genommen. Im neuen Depot wartet sie nun auf Besucher. Wir hoffen, dass es im Sommer soweit ist und wir die Maschine vorführen können.