Autobahnschild Deutsches Hopfenmuseum
Bitterstoff, Blog | Donnerstag 23.03.2023

Schilderbürgerstreiche

Warum man das Deutsche Hopfenmuseum nicht verfehlen kann

von Christoph Pinzl

Jeder kennt sie, die rechteckigen Autobahnschilder, in sattem, erdigem Braun und weißer Schrift gehalten. „Touristische Unterrichtungstafeln“ heißen sie offiziell. Mit wechselhafter grafischer Kunstfertigkeit weisen sie uns auf die landschaftlichen Leckerbissen der Regionen hin, durch die wir gerade durchbrettern. Man/frau nimmt sie wahr, aber ob das Ganze wirklich was bringt?

Als unser Hopfenmuseum vor 17 Jahren öffnete, waren wir der festen Überzeugung: selbstverständlich bringt´s so eine touristische Unterrichtungstafel. Schließlich rauschen auf der A 9, einer der meistbefahrenen Autobahnen Europas, jährlich Millionen von Fahrzeugen von Nord nach Süd und umgekehrt. Wenn sich nur ein winziger Teil der Fahrzeuginsassen zu einem kleinen touristischen Schlenker nach Wolnzach überreden ließe, sollte dies die Besucherzahlen rapide nach oben heben.

Und bewarben uns um eine Schilderaufstellung kurz vor dem Dreieck Holledau, gleich nach dem Schild zum „Hopfenland Hallertau“. Naiv wie wir waren.

Denn: Auf der A 9 ganz sicher nicht. Wolnzach hat dort ja gar keine Ausfahrt. Die braucht es aber, sonst kein brauner Wegweiser. Ein Autobahndreieck gilt nicht als Ausfahrt, auch wenn, wie in unserem Fall, dick „Wolnzach“ auf den in diesem Fall blauen Schildern steht. Gilt nicht. Und überhaupt gibt es vor Autobahndreiecken ganz grundsätzlich keine braunen Schilder. So etwas mindert die Aufmerksamkeit des Fahrzeugführers, die an solchen Stellen ganz besonders wichtig ist, noch viel wichtiger als eh schon auf der Autobahn. Pech gehabt.

Fußballstadien können auch einen sinnvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben leisten (Originalfoto: Wikipedia – 2015 Michael 2015 – Bearbeitung: Deutsches Hopfenmuseum).

Kein Schilderwald

Nun sind die braunen Schilder tatsächlich schon ein Kompromiss. Eigentlich wollen Autobahnverantwortliche ihre grauen Fahrbänder höchstens von Straßenbegleitgrün, aber keinesfalls von Hinweistafeln welcher Couleur auch immer begleiten lassen. Ob dabei mehr der ungetrübte Genuss weiter Fluren oder eher die unerwünschte Beeinträchtigung der Fahrerkonzentration im Fokus steht, sei dahingestellt. Eine gewisse Dankbarkeit lässt sich nicht leugnen, dass nicht jeder mehr oder weniger global denkende Burgerbrater seine farbenfrohen Botschaften alle paar Kilometer ins Blickfeld rücken darf.

Aber im Hopfenmuseum gibt es keine Burger. Wir haben ehrliche agrarkulturelle Botschaften zu vermitteln, die jeden betreffen, der sich abends gerne eine Halbe gönnt. Egal, wo er oder sie in der Welt zuhause ist. Und irgendwann mal auf dieser Autobahn fährt.

Da half es wenig, dass als Trostpflasterl das Schild auf der A 93 schnell genehmigt und auch aufgestellt war. Die A 93, die ja wirklich eine Wolnzach-Ausfahrt hat. Aber auf dieser A 93 fährt ja nicht die ganze Welt, höchstens die östliche. Eindeutig zu wenig für unseren gesamteuropäischen Ehrgeiz. Der Frust war groß.

Doch wie es der Zufall will, ergab es sich zu dieser Zeit, dass das „Jetzt red i“-Team des Bayerischen Rundfunks sich anschickte, auch einmal das Hopfenland aufzusuchen, und zwar gleich mittenrein, in die Metropole, nach Wolnzach. Wer es nicht kennt: „Jetzt red i“ ist ein spezielles Format des Mitmachfernsehens. Der Bürger und die Bürgerin dürfen live während der Sendung kommunizieren und sich mit seinen/ihren mal mehr mal weniger eigenwilligen Anliegen an die (Fernseh-)Öffentlichkeit wenden. Auch wenn erstaunlich viel in dieser Sendung dem Zufall überlassen wird, läuft trotzdem nicht alles ganz so spontan ab. Üblicherweise sucht sich das Team vorab eine Handvoll interessanter Akteure vor Ort zusammen. Und als das Angebot an den Museumsleiter herangetragen wurde, gab es kein langes Zögern, mit dem Autobahnschild-Memorandum im Fernsehen aufzutreten.

Der jugendliche Autor vor seinem Schilderwerk (Foto und Montage: Paul Ehrenreich).

Um das Ganze etwas launiger zu gestalten (schließlich ging es bei der Sache ja irgendwie auch um Bier), wurden vorab zwei halbernst gemeinte Schilder gebastelt und in der Live-Sendung hochgehalten, in der Hoffnung, das geneigte Auditorium umso leichter gewinnen zu können. Ob es nun wirklich die kunstvollen Tintenstrahldrucke waren oder doch eher die Tatsache, dass das Schilder-Anliegen unter all den anderen an diesem Abend das am leichtesten zu verwirklichende war (irgendwas Positives muss ja rauskommen) – schon eine Woche nach Sendeschluss jedenfalls flatterte die frohe Botschaft ins Büro, dass man sich ministeriell beraten habe und dem Schild auf der A 9 nun doch nichts mehr im Wege stehe.

Folgeschilder

Allerdings nicht wie angedacht vor dem Autobahndreieck. Was einmal Eingang in ein deutsches Regelwerk (vermutlich das Bundesfernstraßengesetz) gefunden hat, kann auch ein noch so gelungener Fernseh-Auftritt nicht ins Wanken bringen. Soweit kommt´s noch. Nein, die braunen Hinweisgeber sollten VOR der jeweiligen Ausfahrt VOR dem Dreieck aufgestellt werden, so lautete die pfiffige Lösung. Von Norden her also kurz vor Langenbruck, von Süden kurz vor Schweitenkirchen/Pfaffenhofen.

Und damit nicht genug. So eine braune Autobahntafel, das ist seitdem bekannt, benötigt nach der Autobahnabfahrt immer eine sogenannte Folgebeschilderung. Nicht dass der kulturwillige Autofahrer zwar erstmal runterfährt, dann aber bald nicht mehr weiterweiß zur gesuchten Destination, entmutigt wieder umdreht oder noch schlimmer, in irgendeinem Café am Wegesrand eine Pause einlegt.

Nun ist es freilich so, dass es weder von Langenbruck noch von Schweitenkirchen auf allzu direktem Weg nach Wolnzach geht. Also musste zuerst in eingehenden Sitzungen eine passende Route ausgetüftelt respektive folgebeschildert werden. Was dazu führte, dass sich heute mitten in der Hallertauer Landschaft kurz vor Sünzhausen (Sinzhau´n) ein Hinweisschild zum Deutschen Hopfenmuseum zeigt und man/frau auf diesem Weg auch gleich die Schönheiten von Dürnzhausen (Dirnzhau´n), Geroldshausen (Geratshau´n) und Haushausen (Haushau´n) kennenlernt. Auf der anderen Seite kommen dadurch Fahlenbach, Königsfeld und Starzhausen (Stazhau´n) zu unerwarteter Durchreisefrequenz.

Oder eben auch nicht. Denn kein noch so pausenwilliger Durchfahrer wird auf die seltsame Idee kommen, bloß weil ihm irgendwo ein braunes Schild ins Sichtfeld rückt, bei der nächstbesten Ausfahrt einfach mal rauszufahren. Steht ja nirgends auf der Autobahn, dass es hier zum Hopfenmuseum geht. Und wer weiß schon was von Folgeschildern. Und selbst wenn, jedes Standard-Navi leitet zuverlässig auf direktem Weg zum gewünschten Museumsziel. Auf der A 9 Richtung Nürnberg führt der nun mal nicht über Dirnzhau´n, sondern ­­– eben.

Das etwas schlichtere Hinweisschild auf der A 93

Ach was wären Deutschland und Bayern ohne ihre Bürokratie und die speziellen Mittel und Wege, ihr auszukommen. Und sei es mittels Folgebeschilderung. Übrigens hat der braune Hinweis auf der A 9 in der Tat enorme Wirkung entfaltet. Umfragen unter unangemeldeten Besuchern nach ihrer Motivation, im Deutschen Hopfenmuseum vorbeizuschauen, setzten das erdige Schild ganz oben auf die Anlassliste. Und auch der Landstraßenpendler aus Freising wird seither kurz vor der Autobahnauffahrt stets daran erinnert, dass er an einem der nächsten Sonntage seinen freien Nachmittag auch in Wolnzach verbringen könnte. Über die Folgsamkeit der Pendler und den Folgeerfolg dieser Folgebeschilderungsfolge wissen wir bisher zwar noch nichts Exaktes. Aber wir arbeiten daran.